7. Dezember 2024

Jayden V. Reeves

Geschichten geschrieben habe ich eigentlich schon als Kind, aus Gründen, aus denen die meisten Autor*innen heute noch schreiben: Welten und Szenen erschaffen, die wir selbst in der existierenden Literatur vermissen. Storylines, die uns begeistern, mit Charakteren, die uns fesseln und faszinieren. So erging es mir auch mit sechzehn  Jahren, als ich meinen ersten Roman für eine schulische Jahresarbeit fertiggestellt habe. Zuvor, mit acht Jahren, waren die Geschichten noch anderer Natur gewesen, kindlicher, da es hier eher ums generelle Entdecken und Ausprobieren der Schreibkunst ging. Die Ursache war hier jedoch bereits dieselbe.

Umgekehrt würde ich mich heute selbst aber bei Weitem nicht als Vielleser bezeichnen. Ich bin eher ein Zweck- und Genussleser. Ich lese mit Leidenschaft, wenn es sich dabei um Perlen handelt; andererseits kann ich auch sehr beharrlich an Büchern festhalten, die mich eigentlich zutiefst langweilen – mich bisweilen sogar wütend machen – wenn sie mir dennoch in anderer Weise Aufschluss geben.

Als publizierender Autor muss man meines Erachtens auch nach rechts und links schauen, anstatt nur auf seine eigene Linie. Was wird gerne gelesen? Wo liegt die Quintessenz des Erfolgs? Dies tue ich allerdings nicht aus dem Grund, weil ich beabsichtige, mich danach zu richten. Wenn ich mich dabei unwohl fühle, würde ich für nichts in der Welt das schreiben, was die große Masse verlangt, aber ich halte es für wichtig zu verstehen, warum manche Bücher es nicht auf die Bestseller-Listen schaffen, obwohl sie meiner Meinung nach genau dort hingehören. Ob dies auch auf meine Bücher zutrifft, vermag ich grundsätzlich nicht zu sagen. Geschmäcker sind nun mal grundverschieden, was auch gut ist. Denn nur dann existiert Leidenschaft. Nur dann kann sie bei den Leser*innen erwachen, wenn sie für eine Geschichte brennen. Es wäre keine Leidenschaft vorhanden, wenn dies für jedes Buch gelten würde.

Dramen sind die Art von Geschichten, die mich am schnellsten einfangen können. Sie können lauter oder leiser Natur sein. Ich mag das Tragende, Schwermütige und Nachdenkliche. Das, was bleibt. Und auch das Schweigen der Protagonisten, das eigentlich gar nicht still ist, wenn man in der Lage ist, zwischen den Zeilen zu lesen und auch die Kunst beherrscht, zwischen den Zeilen zu schreiben. Was schwierig ist.

Weiterhin muss die Storyline zwingend nachvollziehbar sein. Es passieren in der Tat die verrücktesten Dinge; manches glaubt man nicht, ehe es nicht zumindest eine zuverlässige Quelle gibt, die das Unfassbare bestätigt. Ich zögere daher nicht, solche Szenarien zu erschaffen, Authentizität ist mir jedoch bei den Aktionen, Reaktionen und Emotionen der beteiligten Personen immens wichtig. Dazu versuche ich mich in ihre Gefühlslage zu versetzen und meist funktioniert dies sehr gut mit der passenden Musik.  Sehr geeignet halte ich Filmmusik – oder welche, die dafür prädestiniert ist.
Wenn ich schreibe, haben die Komponisten Cupelli, Arnalds und Jóhannson inzwischen fest eingeplante Plätze auf meiner Agenda. Gesang bringt mich durcheinander, wobei ich meinen Erstling tatsächlich noch unter Einfluss meiner Lieblingsbands geschrieben habe. Es ist seltsam, ich bin nämlich davon überzeugt, dass man dies sogar merkt. Aber vielleicht sehe nur ich das so. Entwicklung gehört ja nun einmal dazu und sollte man auch zulassen.

Manchmal brauche ich totale Stille, um mich zu konzentrieren. Wenn dies passiert, bin ich so sehr in der Geschichte gefangen, dass ich gar nichts mehr um mich herum wahrnehme.
Ohne Wertung kann ich von mir sagen, dass ich kein Autor für schriftstellerische Zusammenarbeiten bin. Ich bin ein recht schwieriger Mensch, introvertiert, manche sagen scheu, aber in jedem Fall sehr perfektionistisch und höchst eigen. Ich, als auch mein*e Ko-Autor*in würden auf Dauer nicht glücklich miteinander werden, was sich auch in der Geschichte niederschlagen würde. Daher halte ich von solchen Projekten Abstand.

Die meisten Tabus sind Themen, welche ich in ihrer Existenz anerkenne, die ich jedoch bewusst übertrete.  Sie interessieren mich weder in der literarischen, noch in der realen Welt.
In meinen Romanen tun die handelnden Personen schlimme Dinge und keine von ihnen ist ein reiner Engel. Manchmal verschwimmt die Linie zwischen Pro- und Antagonisten.  Jeder hat seinen Makel, ganz so, wie es nun einmal realistisch ist.

»Ich denke, dies ist einer der wesentlichen Gründe, weswegen meine Bücher mit Vorsicht gelesen werden. Und auch wenn es schade ist, dass sie Angst schüren, so macht es mich auch stolz, dass es mir offenbar gelungen zu sein scheint, intensive und auch sehr hässliche Gefühle realistisch zu transportieren.«
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Und in Ausnahmesituationen handelt ein Mensch auch nicht immer ethisch korrekt. In diesen Szenen horche ich intensiv in mich hinein, versuche zu spüren und zu erfassen, was ich in einer solchen Situation fühlen und denken würde, um dann letztendlich eine für mich nachvollziehbare Handlung niederzuschreiben. Allerdings habe ich mich auch niemals in der Rolle gesehen, dass ich eben jenen ethisch korrekten Weg in meinen Geschichten aufzeigen muss. Diesen Auftrag müssen Romanautor*innen meines Erachtens nicht erfüllen. Ich darf stehlen, rauben, beleidigen, gemein sein, verletzen, schlagen, foltern, vergewaltigen und auch morden. Manchmal bleiben diese Vergehen ungesühnt. Selbst dies gehört zur Realität. Und all dies ist Teil der Welt, in der wir leben. Möchte ich keine Märchen publizieren, schreibe ich die Dinge auf, wie sie sind.
Ich denke, dies ist einer der wesentlichen Gründe, weswegen meine Bücher mit Vorsicht gelesen werden. Und auch wenn es schade ist, dass sie Angst schüren, so macht es mich auch stolz, dass es mir offenbar gelungen zu sein scheint, intensive und auch sehr hässliche Gefühle realistisch zu transportieren.

Gemeinhin existiert übrigens die Annahme, dass ich glückliche Enden verabscheue. Das stimmt so nicht ganz. Ich halte es jedoch für eine gute Geschichte unerlässlich, dass sie das Ende erhält, welches für sie bestimmt ist. Die Menschen in den Geschichten werden es uns sagen. Dies kann ein trauriges, ein offenes oder ein glückliches Ende sein. Sobald eine Geschichte allerdings derart verrückte Wendungen erhält, damit am Ende das zwingend erforderliche Happy End erfolgt, welches ein Garant dafür ist, dass die Geschichte vielfach in die Hände der Leser*innen wandert, halte ich dies für einen persönlichen Betrug. Keinen an mir persönlich, aber einen des jeweiligen Autoren an sich selbst. Und ja, gewissermaßen auch an den Leser*innen. In der Tat bevorzuge ich für meinen Teil offene Enden; hier kann jeder sich sein eigenes Fantasie-Konstrukt bauen, träumen und entweder ins Licht oder in die Dunkelheit gleiten.

Wie es auch bei meinen Geschichten der Fall ist, polarisiere ich als privater Mensch. Das ist das Los meiner direkten Art und meiner sicherlich nicht immer förderlichen Impulsivität.  Ich kann durchaus recht stürmisch meine Interessen vertreten, wenn ich dies für unabdingbar erachte. Im Miteinander lege ich Wert auf Fairness, Hilfsbereitschaft, Selbstlosigkeit, kluge Gespräche und Achtsamkeit. Ich schätze die Stille und die Zeit, die ich mit mir alleine verbringe. An dieser Stelle muss ich wohl zugeben, dass ich mich inzwischen – trotz meiner beruflichen Arbeit – als Misanthrop sehe. Ich lebe polyamor, bin leidenschaftlicher Skateboarder und Tierrechtsaktivist. Zurzeit überarbeite ich mein Debüt, um es stilistisch an den Folgeband anzugleichen. Ich bin weder ein Viel- noch ein Schnellschreiber. Nie gewesen. Ich brauche Zeit. Viel. Zeit. Aber wenn ich dann nach all dieser Zeit eine Geschichte fertig gestellt habe, wird sie sicherlich unverkennbar meiner Feder zugeschrieben werden. ^^

Text & Logo © Jayden V. Reeves;
Foto: © privat
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