Zwischeneinander | Catherine Strefford

Leseprobe

›Zwischeneinander‹
Catherine Strefford

Klappentext:

Was, wenn die Liebe vor einem steht, aber man nicht bereit dafür ist?

Richie setzt alles daran, seinem eigenen Glück im Weg zu stehen. Doch muss er wirklich erst sich selbst lieben, um von anderen geliebt werden zu können?

Die Beziehung mit Maxi kann Richie nur anfangs genießen, denn unentwegt wartet er auf das Ende, von dem Richie sicher ist, dass es früher oder später kommen wird. Keine Liebe ist wie die andere und nichts Neues kann wachsen, so lange das Herz und die Seele noch mit dem Unkraut der Vergangenheit bewuchert sind.

Aber erkennt auch Richie das früh genug?

© Catherine Strefford

Den ganzen Weg zum Café Kommod hat Richie über das Gekrakel von Maxi nachgedacht. Vielleicht war es gar kein Herz, sondern ein schnell hingeschmiertes M. Je mehr Richie darüber grübelt, desto sicherer wird er sich, dass es ein Buchstabe und kein Liebessymbol war. Wie dämlich. Sich so schnell den Kopf verdrehen zu lassen, dass er überall Herzen sieht. Er wirft einen schnellen Blick auf sein Handy. Keine Nachrichten oder Anrufe. Richie schüttelt über sich selbst den Kopf, ehe er das Café betritt und sich suchend nach Stella umblickt. Das Kommod ist gut besucht. Ein paar Mütter mit Kinderwagen, ein paar mit Tragetüchern, ältere Leute, allein mit einer Tageszeitung oder in geschwätzige Gespräche vertieft, ein Typ mit Laptop und am hinteren Fenster Stella, die eifrig auf ihrem Smartphone herumwischt.
»Da bist du ja endlich«, sagt sie fröhlich, als Richie sich auf den Stuhl neben ihr fallen lässt. »Lange Nacht gehabt?« Sie macht ein spitzbübisches Gesicht, die Lippen zu einem Schmollmund geformt. Sie kennt Richie gut genug, um zu wissen, dass er gestern Abend nicht ohne gutaus­sehenden Grund einfach verschwunden ist.
Richie nimmt einen Schluck von ihrem Kaffee, legt sein Handy nach einem weiteren prüfenden Blick auf dem Tisch ab und schaut dann aus dem Fenster auf die Allee und die vorbeifahrenden Autos und Fahrräder, als hätte er Stella gar nicht gehört.
»Komm schon!«, fleht Stella. »Spann mich nicht so auf die Folter. Gib mir Details!«
Richie platzt fast, so dringend möchte er Stella von Maxi erzählen, fragt aber zunächst: »Sind die anderen sehr sauer?«
Stella macht eine wegwerfende Handbewegung. »Anne hat sehr schnell ein neues Opfer gefunden und auch Daniel ist der Meinung, dass ihr beiden nicht so gut zueinander passt, wie wir dachten. Sie werden drüber wegkommen.«
»Aber bei dir und Daniel ist alles gut? Ich wollte nämlich nicht … der Plan war ja, dass er merken soll, dass du es ernst meinst und –«
»Wir sind jetzt zusammen«, platzt es aus Stella heraus und sie strahlt übers ganze Gesicht.
»Na endlich«, freut sich Richie mit ihr, drückt kurz ihre Hand, die auf dem Tisch liegt. Erwischt sich dabei, dass er schon wieder prüfen möchte, ob er eine Nachricht bekommen hat.
»Aber jetzt erzähl endlich, wer dein Herz erobert hat«, fordert Stella.
Richie schnaubt abwehrend. »Niemand«, sagt er. »Mein Herz kann man nicht erobern.«
Stella hebt lächelnd ihre Augenbrauen, nimmt einen Schluck Kaffee und lässt Richie dabei nicht aus den Augen.
»Hör auf, mich so anzugucken. Es war nur Sex.«
»Mh-hm«, macht Stella und es ist sehr deutlich, dass sie Richie nicht glaubt. »Weißt du, du hast«, Stella macht mit ihren Fingern vor Richies Gesicht eine flatternde Bewegung. »Dieses Glitzern. Das war lange nicht da, aber ich hab’s sofort erkannt, als du reingekommen bist.«
»Du hast nicht mal geguckt, als ich reingekommen bin«, widerspricht Richie trocken und schiebt ihre Hand weg. Stella lächelt milde und sie bestellen neuen Kaffee und ein kleines Frühstück.
»Jetzt erzähl schon endlich, mit wem du abgehauen bist.«
»Okay, okay«, sagt Richie. Er stützt sich mit dem Ellbogen auf dem Tisch ab, sein Blick schweift erneut aus dem Fenster, während er redet. »Ich hab ihn gestern zufällig im Restaurant getroffen und wir sind ins Gespräch gekommen. Auf der Party sind wir uns dann wieder über den Weg gelaufen und wir haben uns ganz gut verstanden und … na ja.« Richie sieht wieder Stella an. Sie schaut ihn mit großen Augen an, die Lippen zusammengepresst, in dem Versuch ihre Begeisterung im Zaum zu halten.
»Was?«, fragt Richie.
»Dir ist klar, dass du grinst wie ein Kind im Süßigkeitenladen?«
Richie verzieht sein Gesicht, um Stellas Aussage zu entkräften. »Tu ich nicht.«
»Wenn du meinst«, sagt sie nur und leert ihre Tasse, damit die Bedienung, die ihre Bestellung bringt, sie mitnehmen kann. Richie nimmt sein Handy vom Tisch, um Platz zu machen. Tippt ohne nachzudenken das Display an, um zu prüfen, ob eine Nachricht gekommen ist.
Maxi – 2 Nachrichten. Richie merkt, wie seine Mundwinkel nach oben wandern, unkontrolliert wie ein Reflex, den er nicht beherrschen kann.
»Mist«, sagt er. Zum einen, weil Stella es gesehen hat, zum anderen, weil er sich doch sonst nicht verliebt.

»Ist doch nicht schlimm«, sagt Stella. Sie knufft Richies Schulter, will ihm zeigen, dass es wirklich kein Weltuntergang ist, wenn er sich mal wieder verliebt. Richie weiß, dass sie vermutlich recht hat. Aber für ihn fühlt es sich an, als würde er die oberste Treppenstufe auf dem Weg nach unten verfehlen. Man weiß, dass man stürzt, noch ehe es begonnen hat. Der Magen rauscht schneller nach unten als der Rest des Körpers. Stella nennt das Verliebtsein. Richie macht es schlichtweg Angst.
»Wie heißt er bei Instagram?«, fragt Stella und zieht ihr Handy hervor.
»Keine Ahnung«, gibt Richie zu.
Enttäuscht lässt Stella ihr Handy wieder sinken. »Ich kann ihn mir nicht mal bei Instagram ansehen?«
Richie schüttelt den Kopf. »Keine Ahnung, ob du ihn da überhaupt finden würdest.«
»Richie Krienhagen, bist du etwa mit einem völlig Fremden mitgegangen?« Stella hat den Kopf schiefgelegt und die Hände mahnend in die Seite gestemmt.
Unwohl kratzt Richie sich an der Schläfe. »Er ist nicht völlig fremd. Ich weiß, dass er Rockmusik und indisches Essen mag.«
»Super, das hätte bei der Suche nach deiner Leiche sicherlich sehr geholfen. Mann, Richie, du hast den Kodex nicht eingehalten«, schimpft Stella. »Du weißt doch: We–«
»Wenigstens den Namen oder die Adresse schicken«, beendet Richie gequält den Satz. »Keine Ahnung. Das war so …« Richie fährt sich durch die Haare, versucht ein passendes Wort zu finden. »Intensiv. Mein Hirn war komplett ausgeschaltet. Genauso wie mein Schutzpanzer.« Geschafft lehnt Richie sich mit dem Ellbogen auf den Tisch, pult ein paar Körner von seinem Brötchen.
»Meine Güte«, sagt Stella. »Sogar dein Schutzpanzer?«
Richie nickt. »Scheint so.«
»Trefft ihr euch wieder?«
Richie fährt mit dem Finger über den Rand seiner Tasse, zieht immer wieder Kreise auf ihr. »Nein, denke nicht«, antwortet er.
»Was? Warum nicht?« Stellas Stimme ist vor Entrüstung einen Tick zu laut. »Ich meine, da war doch ganz offensichtlich was, wenn weder Hirn noch Schutzpanzer aktiv waren.«
»Und genau deswegen werd’ ich ihn nicht noch mal treffen«, sagt Richie bestimmt. »Außerdem weiß ich ja gar nicht, ob er mich auch mag«, fügt er kleinlaut hinzu und kommt sich vor als sei er wieder vierzehn und voller Pickel und Unsicherheiten.
»Er hat dir doch geschrieben. Sieh nach, was drinsteht.« Stella zuckt mit den Schultern und beißt von ihrem Brötchen ab.
Richie drückt einige Male seinen Finger gegen seinen Mund, während er überlegt, ob er die Nachrichten lesen soll, zieht schließlich das Handy hervor.
Keine Ahnung ob’s cool war, den Zettel hinzu­legen. Und dann auch noch mit einem Herz.
Bei dem Wort Herz muss Richie lächeln. Es war tatsächlich ein Herz und kein Buchstabe und das gefällt ihm irgendwie.
Jedenfalls fand ich dich echt nett und würde dich gerne besser kennenlernen. Vielleicht bei nem Kaffee? Magst du Kaffee? M
Richie scrollt zur zweiten Nachricht.
Ach. Du. Scheiße. Habe ich gerade nett geschrieben? Unfassbar. Du warst in meinem Bett, ich finde dich MEHR als nett! M
»Du magst ihn«, sagt Stella, die Richies Gesicht beim Lesen der Nachricht beobachtet hat. »Triff dich mit ihm.«
»Aber was, wenn –«
»Richie, ich weiß, in deinem kleinen Kokon ist es supersicher und so, aber du hast wegen einer Nachricht von jemandem lange nicht so dämlich gegrinst. Triff dich mit ihm. Vielleicht lässt du es endlich mal wieder zu und guckst was passiert«, schlägt sie vor.
»Das gibt nur Ärger«, entgegnet Richie gepresst und in seinen Gedanken flackert für einen Augenblick eine Erinnerung an Ravioli auf. Er kann das Treppensturzgefühl doch nicht einfach ignorieren.

[Zwischeneinander | Datum der VÖ: 24. September 2021]

© Text & Cover: Catherine Strefford
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung.
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