7. Dezember 2024

Leseprobe Herzensprojekt Traumprinz | Karo Stein

Exklusive Leseprobe

›Herzensprojekt Traumprinz‹
Karo Stein

Klappentext:

Matti kann sich überhaupt nicht beklagen: Er hat einen tollen Job, eine schöne Wohnung und die zwei besten Freundinnen, die man sich nur wünschen kann. Nur sein neuer Nachbar Christian strapaziert seine Nerven gehörig und mit der Liebe will es auch nicht so richtig klappen. Als ein rätselhafter Unbekannter ein ungewöhnliches Buch auf seiner Türschwelle zurücklässt, beschließt Matti enthusiastisch, das Herzensprojekt Traumprinz einfach selbst in die Hand zu nehmen. Doch das ist leichter gesagt als getan und die romantische Vorstellung geht ziemlich schnell im Chaos unter. Und zu allem Überfluss bringt Christian Matti auch noch völlig durcheinander. Was, wenn der Traumprinz vielleicht doch näher ist als gedacht?

© Karo Stein

An der Kasse bekomme ich einen kleinen Schock über den Preis, den die Frühjahrsbepflanzung meines Balkons kostet. Aber neben dem Plastikkasten und den Blumen sind auch noch diverse Samentütchen in den Korb gewandert. Außerdem sind wir auf dem Rückweg durch die Dekoabteilung gekommen. Das war ein ausgesprochen böser Fehler. Zum Glück habe nicht nur ich die Gartenstecker mit den niedlichen Feen und die Lichterkette mit den Schmetterlingen mitgenommen, sondern auch Marie.
Der Kofferraum ist jedenfalls voll, als wir abfahren.
Seufzend mustere ich eine halbe Stunde später den Inhalt und schaue dann nach oben zu meinem Balkon.
»Wieso wohnst du eigentlich nicht unten?«, grummelt Freddy und schnappt sich einen der Säcke mit Blumenerde.
»Die Aussicht ist besser«, erwidere ich schnaufend.
»Bei uns ist der Ausblick auch toll, ganz ohne die vielen Stufen«, beharrt sie.
Schwer bepackt machen wir uns auf den Weg nach oben. Leider haben wir nicht alles geschafft, sodass mindestens eine weitere Tour auf uns zukommt. Mit dem Muskelkater ist es besonders höllisch. Am liebsten möchte ich vorschlagen, dass sie die Sachen, die noch im Auto sind, behalten können, damit ich nicht noch einmal hinuntermuss. Leider befinden sich die Blumen und das Hochbeet dort, was die Schlepperei ziemlich sinnlos machen würde.
Die Mädels sind nicht so ausgepowert wie ich und können sich natürlich spitze Bemerkungen über meine schlechte Kondition nicht verkneifen.
Und wie sollte es anders sein: Mein verdammter Nachbar kommt uns bei der zweiten Runde von oben entgegen. Abgesehen davon, dass ich schnaufe wie eine Dampflok und mein Gesicht puterrot und verschwitzt ist, trage ich lediglich die Blumen und den Beutel mit dem Dekokram. Marie und Freddy schleppen gemeinsam den Karton mit dem Hochbeet.
Das fiese Grinsen habe ich direkt vor Augen, auch ohne ihn anzusehen.
»Hallo, Matthias Bergman«, begrüßt er mich. Was für ein Idiot!
»Moin, Christian Röder«, nuschle ich schwer atmend und gehe einfach weiter. Ich habe mir fest vorgenommen, diesen Arsch zu ignorieren. Es gibt schließlich keine Vorschriften, dass man sich mit den Nachbarn gut verstehen oder gar anfreunden muss. Trotzdem spüre ich seinen Blick deutlich in meinem Rücken und bekomme eine Gänsehaut.
»Wer war denn dieser heiße Kerl?«, raunt Marie mir vor der Wohnungstür zu und sieht mich neugierig an.
»Mein unhöflicher Nachbar mit dem eiskalten Blick«, erwidere ich grummelnd. »Und heiß? Echt mal, spätestens jetzt merkt man, dass du eine Lesbe bist. Du hast ja überhaupt kein Urteilsvermögen, was Männer betrifft.«
»Vielleicht solltest du deine Brille mal putzen«, mischt sich auch Freddy ein.
»Der Typ sieht aus, als wäre er geradewegs aus einem schwulen Kalender gesprungen.«
Ich lache bitter auf und schüttle den Kopf. »Mädels, er wohnt mit einer Frau dort drüben. Dieser Kerl ist ganz bestimmt nicht schwul und außerdem ein fieser Arsch.«
»Aber der Duft und die stechend blauen Augen«, schwärmt Marie.
»Wenn er mich anschaut, bekomme ich jedes Mal eine Gänsehaut und befürchte, zu Eis zu erstarren«, behaupte ich und mustere die beiden abwechselnd. »Echt jetzt? Ich habe euch doch schon erzählt, wie bescheuert er sich mir gegenüber benommen hat, und ihr mutiert beim ersten kurzen Zusammentreffen zu Groupies?«
»Ach, Schatz.« Marie kommt auf mich zu und legt einen Arm um meine Schulter. »Du solltest ihn vielleicht noch einmal richtig betrachten. Ganz abgesehen davon, dass er dich quasi mit Blicken aufgefressen hat.«
»Du spinnst. Er starrt mich immer so eiskalt an, als wäre ich Scheiße unter seinen Schuhsohlen.«
»Jetzt bist du es aber, der übertreibt«, sagt Freddy lachend. »Ich habe den Eindruck, dass Mister Icicle in deiner Nähe ziemlich schnell auftauen wird.«
»Mister Icicle?«, wiederhole ich spöttisch und verdrehe die Augen. »Er hat eine Frau.«
»Ist ja auch egal, denn dein Herz schlägt schließlich für den Trainerprinzen.«
»Genau, deshalb geht mir Mister Icicle am Arsch vorbei.«
Ich fliehe in die Küche und beende damit das Gespräch demonstrativ. Es ist unglaublich, was meine Freundinnen für einen Unsinn geredet haben. Jetzt hat der Typ auch noch einen Spitznamen bekommen, dabei hat er gar keinen verdient. Genau genommen ist er es nicht einmal wert, dass wir einen Gedanken an ihn verschwenden. Leider muss ich Marie jedoch in einer Sache recht geben. Er riecht unglaublich gut und wenn da nicht diese Frau und sein gemeines Verhalten wären… Seufzend befülle ich die Kaffeemaschine, denn wir brauchen nach diesem Einkaufstrip dringend eine Stärkung.
Die nächste Stunde verbringen wir gemütlich auf dem Sofa und plaudern über alle möglichen Themen, mit Ausnahme des Trainings und meines Nachbarn. Das Babyabenteuer wird ebenfalls nicht noch einmal hervorgeholt.
Wir lachen und genießen die Zeit, bis Freddy und Marie sich auf den Weg machen.
Danach beginne ich voller Elan mit der Arbeit auf dem Balkon. Es ist inzwischen ziemlich kalt, sodass ich mir einen alten, aber gemütlichen Hoodie überziehe, auf dem die Reste eines großen Regenbogenherzens zu erahnen sind. Ich hatte ihn in meinen frühen Zwanzigern quasi ständig an und abgöttisch geliebt. Die Liebe ist bis heute nicht vergangen, weshalb er sich immer noch in meinem Schrank befindet, obwohl er vermutlich längst in die Altkleidersammlung gehört.
Den unhandlichen Karton zu öffnen, stellt eine kleine Herausforderung dar. Es wäre wohl besser gewesen, wenn ich das im Flur erledigt hätte, aber jetzt, da ich die Pappe halb zerfleddert habe, schleppe ich ihn nicht noch mal zurück in die Wohnung. Zum Glück muss ich nur die Beine an der Pflanzschale befestigen. Der Rest ist ja bereits fertig.

Voller Stolz betrachte ich meine neue Errungenschaft. Zugegebenermaßen wird es verdammt eng auf dem Balkon mit den zwei Hochbeeten. Allerdings sitze ich sowieso meist allein hier draußen.
Im Sommer verbringe ich viel Zeit bei Freddy und Marie, denn ihre Terrasse ist eindeutig geräumiger und obendrein gemütlicher. Ganz zu schweigen davon, dass ich in der touristischen Hochsaison ständig arbeiten muss und höchstens mal für ein Stündchen zum Runterkommen nach draußen gehe. Dafür können das Gemüse, die Kräuter und die Blumen sich hier dann wunderbar ausbreiten. Für meinen kleinen Tisch und die zwei Stühle reicht der Platz außerdem noch.
Die gekauften Blumentöpfe drapiere ich auf der schmalen Brüstung vor den Blumenkästen, bis ich alles farblich passend finde. Dann sammle ich die letzten Reste der Winterdeko ein, lockere die Erde und reichere sie mit der neu gekauften an. Ich bin wirklich weit davon entfernt, ein Gärtner zu sein, aber ein bisschen herumzubuddeln und alles hübsch zu arrangieren, das mag ich. Wofür gibt es Klischees, wenn sie nicht bedient werden? Glücklich summe ich ein Lied vor mich hin, drehe mich gedankenverloren um und reiße eines der Stiefmütterchen mit dem Ärmel um. Natürlich fällt der Topf nicht auf den Balkon, sondern über das Geländer auf die Straße.
»Verdammt«, schimpfe ich und werfe einen vorsichtigen Blick nach unten.
»Was soll das denn?«, ruft jemand und schaut zu mir hinauf. »Hast du mich absichtlich damit beworfen?«
Ich kann nicht fassen, dass ausgerechnet in diesem Moment der unsägliche Nachbar da unten langgehen musste.
»Natürlich«, brumme ich sarkastisch. »Stiefmütterchen sind meine ultimative Geheimwaffe gegen unfreundliche Nachbarn.«
Kaum habe ich die Worte ausgesprochen, schlucke ich schwer und trau mich gar nicht, nach unten zu schauen. Verdammt, wieso lasse ich mich von ihm nur ständig provozieren? Ich komme jedoch nicht dazu, länger darüber nachzudenken, denn die Klingel ertönt. Es gibt wohl keinen Zweifel daran, wer auf der anderen Seite der Tür stehen wird. Wie hat er es nur so schnell nach oben geschafft?
Dumpf dröhnt mein Herz in der Brust, als ich die Klinke herunterdrücke und dem Mann mit den eiskalten Augen und dem ironischen Lächeln entgegenblicke.
»Das ist echt eine sehr spezielle Geheimwaffe«, behauptet er lachend. »Hat sie schon jemals funktioniert?«
»Hätte ich deinen Kopf getroffen, wäre sicherlich wenigstens eine Beule entstanden«, erwidere ich mürrisch und bemerke, wie er mich von oben bis unten mustert. Dabei bleibt sein Blick an dem Regenbogenherz auf meinem Hoodie hängen. Unwillkürlich verschränke ich die Arme vor der Brust.
»Stimmt, das hätte wehgetan. Zum Glück bin ich mit einem Schrecken davongekommen. Immerhin hat noch nie jemand mit Blumen nach mir geworfen.«
»Mann«, fahre ich ihn wütend an. »Das war nicht mit Absicht, sondern ein Versehen. Es tut mir leid, okay? Kann ich jetzt das Stiefmütterchen wiederhaben?«
Einen Moment lang starren wir uns an. Er grinst auf eine Weise, die keinen Zweifel daran lässt, dass er die Bedeutung des Regenbogens kennt. Offenbar wird ihm in diesem Augenblick klar, dass er gerade mit einem schwulen Mann redet. Einem Homo, der ihn mit einem Stiefmütterchen beworfen hat. Wenn das nicht nach einem Klischee klingt… Erneut beginnt mein Herz wild zu trommeln, denn ich bin mir nicht sicher, wie er darauf reagieren wird.
Er kommt einen Schritt auf mich zu, sodass ich seinen Duft unweigerlich einatme. Das Blau seiner Augen wirkt auf einmal weniger kalt, trotzdem rinnt ein Schauer meine Wirbelsäule entlang. Instinktiv betrachte ich seinen Mund. Eine schöne Form, mit Lippen, die zum Küssen einladen. Wie sie wohl schmecken? Irritiert schüttle ich über meine eigenen Gedanken den Kopf und bemerke, wie sich seine Mundwinkel zu einem Grinsen nach oben biegen.
Oh mein Gott, ich sollte ihn wirklich nicht so anstarren. Am Ende haut er mir noch eine rein, weil er sich von der Schwuchtel bedroht fühlt. Was für ein verdammter Albtraum.
»Ich habe den Eindruck, dass du nicht besonders sorgsam mit diesem armen Geschöpf umgehst, denn sonst wäre es ja nicht einfach vom Balkon gefallen. Deshalb werde ich es behalten. Außerdem habe ich noch nie ein Stiefmütterchen von einem Mann geschenkt bekommen. Da muss ich erst mal nachschauen, was das überhaupt zu bedeuten hat.«
Fassungslos schaue ich zu, wie er sich umdreht und in seiner Wohnung verschwindet. Erst dann setzt mein Sprachzentrum wieder ein.
»Das war kein verdammtes Geschenk!«, rufe ich empört. »Bei deinem frostigen Blick wird die arme Blume ohnehin zu Eis erstarren, Mister Icicle!« Ich knalle die Tür ins Schloss und atme tief durch.

[Herzensaktion Traumprinz | Datum der VÖ: 12. März 2020]

© Text und Cover: Karo Stein | Cursed Verlag;
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung.
Unbezahlte Werbung.

© Hintergrundbildcollage:
Phil Desforges auf Unsplash & Birgit Böllinger auf Pixabay
Bildbearbeitung: Wir schreiben QUEER