27. Juli 2024

Karsten Oliver Woellm

Ich wurde Ende 1971 in einem Vorort eines Vorortes von Essen geboren.
Bereits zu Grundschulzeiten standen mir die Haare am kreativen Kopf zu Berge, ich musste mich ständig künstlerisch betätigen – wofür meine Mittelstands-Familie nur wenig Begeisterung aufbrachte. Das war mir keineswegs egal, aber ich zog mein Ding durch. So wurde ich Mitglied im Essen-Steeler Kinderchor, spielte in diversen Theater-AGs, malte und zeichnete, dichtete und schrieb Kurgeschichten; sah die Welt mal in nüchternstem schwarz weiß, mal in Technicolor und fand heraus, dass auch hinter dem Regenbogen das Leben zumeist unerquicklich ist – nur eben in Farbe. Außer in Musicals. Dort sang man voller Inbrunst, wenn einem das Herz überquoll; tanzte vor Freude ausgelassen über Parkettböden, Wiesen und sogar Wasser. Am Ende wurde das Gute belohnt, das Schlechte besiegt, Probleme renkten sich wieder ein. Naiv. Herrlich!
Ich war/ bin ein großer Hollywood- und Musical-Fan. Nicht von Popcorn-Blockbustern und grellen Disney Spektakeln. Gott bewahre! Das war schon immer so. Pinnten die Kollegen Poster von Steffi Graf an die Kinderzimmerwand und verprassten ihr Taschengeld für die neueste Single aus der Stock-Aitken-Waterman-Schmiede? Schön, das Karstenkauzkind verpasste keinen Filmklassiker im Fernsehen, sammelte alles über Marilyn Monroe, kratzte seine Ersparnisse für das Doppelalbum „Judy at Carnegie Hall“ von 1961 zusammen … und entdeckte, dass das Lesen von Büchern weitaus aufregender war als das Herumlungern in der drögen Parkanlage nahebei.
Obwohl meine Familie mit Theater nichts am Hut hatte und ich ergo nur sehr sporadisch ein Schauspielhaus betrat, wollte ich von jeher unbedingt die dortige Luft ein- und ausatmen. Mit  fünfundzwanzig, nach einer eher notgedrungen absolvierten Schneiderausbildung („Kind, dich will garantiert kein Mensch auf einer Bühne sehen! Lerne gefälligst was Gescheites.“), nahm man mich zur großen Überraschung ALLER als Eleve an der renommierten August-Everding-Akademie in München für den Studiengang „Musical“ an. Noch während dieser vierjährigen Ausbildung übernahm ich zahlreiche Haupt- und Nebenrollen in Deutschland sowie Österreich.

»Doch berieseln möchte ich nicht. Außerdem kann man es nicht jedem recht machen, warum sich also verrenken und es versuchen? Man muss sich treu bleiben!«
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Im Laufe der Jahre gewann ich beim Bundeswettbewerb Gesang den Sonderpreis der Günter-Neumann-Stiftung, arbeitete als Sprecher und Sänger im Tonstudio, übte mich in Kleinkunst, stand bei diversen Events als Interpret auf der Bühne und coachte (zumeist beratungsresistente) Gesangstalente. Bin gespannt, was sich in dem Betätigungsfeld Bühne in Zukunft noch ergeben wird. Einem meiner Engagements ist es übrigens zu verdanken, dass ich derzeit in der schwäbischen Provinz wohne … bin hier hängen geblieben … mit Anhang.

Ungefähr 2013 begann ich mit dem Schreiben längerer Texte. Kreativität benötigt nämlich ein Ventil und ein solches hatte ich bitter nötig, da ich damals zeitweise in einem Großraumbüro arbeitete und die Welt um mich herum nicht mehr verstand. Ich schrieb mir sozusagen die bittere Realität schön. Na ja, zumindest besser. Wie auch immer, unsere von Neid und Missgunst geprägte Welt verstehe ich nach wie vor nicht. Wer tut das schon?

Meinen Debütroman „Auch bei Schwulen spukt’s“ veröffentlichte 2018 der in Frankfurt ansässige MAIN-Verlag. Mein zweiter Roman, Arbeitstitel: „Was Rouwen denkt, was Rouwen tut“, erscheint voraussichtlich Ende November beim gleichen Verlag.

Ich bin eifriger (durchaus auch kritischer) Leser und stecke eigentlich ständig gerade mit der Nase in irgendeinem Buch. Selbst im Urlaub habe ich für alle Fälle ein schmales Taschenbuch im Gepäck. Mein erklärtes Lieblingsbuch? „Wer die Nachtigall stört“ von Harper Lee! An zweiter Stelle kommt „ES“ von Stephen King, an dritter „Der geschenkte Gaul“ von Hildegard Knef. Auf der Vier: Alles von Truman Capote. Wie man sieht, Genres sind mir gleich, ein Roman muss meine Interesse wecken und im weiteren Verlauf mein Innerstes in Aufruhr versetzen.

Besonders gerne lese ich über Menschen, die etwas „schief ins Leben gebaut“ sind, wie Joachim Ringelnatz es einst so wunderbar formuliert hat. Wirklich interessant sind doch die  Außenseiter, die sich freischwimmen müssen; die trotz feindseliger Umgebung und widriger Umstände irgendwie am Ende ein kleines Stück vom Glück finden … und über diese Typen schreibe ich mit viel Hingabe.
Ein Autor sollte meiner Meinung nach mit seinem Werk nicht den kleinsten gemeinsamen Nenner suchen oder Lesebefriedigung ohne nennenswerte Ausschläge auf der Richterskala anstreben. Vielmehr sollten Romane originell sein, den Lesern/Leserinnen neue Welten eröffnen, über den Tellerrand blicken lassen, emotional packen und auch nach der letzten Zeile noch für eine Weile im Kopf nachhallen (gleiches gilt für: einen Film, Musik, ein Gemälde, eine Serie …). Sicherlich ist mein Kopfsprung in einen Text (beziehungsweise einen Song oder eine Spielszene) für manche zu eigenwillig … zu anstrengend … zu extrem. Doch berieseln möchte ich nicht. Außerdem kann man es nicht jedem recht machen, warum sich also verrenken und es versuchen? Man muss sich treu bleiben! Nur so ist man authentisch und – davon bin ich überzeugt – nur aus Authentizität entsteht etwas künstlerisch Wertvolles.
Meine Romane sind keineswegs biografisch, jedoch verarbeite ich darin Situationen, Charakter und Schauplätze, die mir so oder in ähnlicher Weise tatsächlich vertraut sind. Ich muss mich im Universum meiner Geschichte gut auskennen. So flossen in das erste Buch meine zahlreichen Erlebnisse im Musicalbusiness und mit dem Ur-Schwäbischen ein. In die zweite Erzählung meine unglaublichen Abenteuer als Schreibtischhengst, wie auch die Erfahrungen mit dem Engelchen und dem Teufelchen, die auf meinen Schultern hocken.
Ein guter Schreibstil ist mir ein besonderes Anliegen und bringt mich regelmäßig an den Rand eines Nervenzusammenbruchs. Ich stand größte Angst aus, dass meine Schreibe als peinlichst amateurhaft in die Annalen der Literatur eingehen würde. Ist Gott sei Dank nicht so gekommen.

Text & Bilder © Karsten Oliver Woellm;
mit freundlicher Genehmigung.
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