10. Oktober 2024

Irvin L. Kendall

Ich wollte schon immer „etwas mit Büchern“ machen. Mein erstes Buch habe ich mit vier „geschrieben“ – eine Bildergeschichte über Prinzessinnen und Drachen oder so, die meine Mutter in der gewünschten Reihenfolge zusammengeklebt und gebunden hat. Mein erstes richtiges Buch erschien 1990 in einem kleinen Verlag. Damals war ich gerade mal 17. Eine Geschichte über jugendliche Außenseiter. Denn das bin ich auch immer gewesen – nicht unbedingt jugendlich, aber zumindest ein Außenseiter. Ein geborener Einzelgänger, mit der Fähigkeit, auf einer einsamen Insel zu überleben – was nicht jeder versteht. Ich lebe heute also allein auf dem Land südlich von Hannover und teile mein (glückliches) Leben mit einer Katze.

Es ist nicht leicht, „etwas mit Büchern“ zu machen, von dem man leben kann. Ich habe eine Ausbildung zum Buchhändler angefangen, aber den ganzen Tag Bücher in Regale zu räumen, fand ich extrem langweilig.

Also habe ich erst mal etwas anderes gemacht: Ich habe Betriebswirtschaft studiert. Über diverse Jobs in verschiedenen Bereichen hat mich das in ein Integrationsprojekt an einer Schule geführt. Ich sollte das Projekt an sich nur organisieren und leiten, endete aber erst darin, selbst zu unterrichten, dann darin, Unterrichtsmaterialien zu erstellen. Letzteres brachte mich zu einem Schulbuchverlag. Das wiederum zu einer Stelle als Korrektor bei Axel Springer Mediahouse.

»Queere Bücher werden wirklich GELESEN. Das ist aufregend, denn es ist der wahre Grund, warum man schreibt. Selbst, wenn es jemandem nicht gefällt.«
Wir schreiben queer
Netzwerk queer-schreibender Autor*innen

Zu der Zeit kam verstärkt Kindle in Deutschland auf. Somit hatte ich „etwas mit Büchern“ gefunden, von dem man leben kann – seit rund zehn Jahren bin ich freier Lektor und Korrektor für SP-Autoren. Ein spezielles Genre habe ich dabei nicht. Am meisten korrigiere ich heute für einen russischen Verlag, der auf LitRPG spezialisiert ist.

In all der Zeit habe ich immer nebenbei geschrieben, auch veröffentlicht, in Verlagen oder auf den ersten SP-Plattformen, die nach und nach aufkamen. Dabei habe ich festgestellt, dass ich ein besserer Lektor bin. Als Autor fehlt mir oft Emotionalität, als Lektor sollte man vor allem sachlich, objektiv und analytisch sein.

Es hat mich aber nicht daran gehindert, nebenbei als Hobby weiterzuschreiben und Verschiedenes auszuprobieren. Manche Bücher, die ich veröffentlicht habe, haben nur zu Testzwecken gedient, um zu sehen, welche Nischen sich lohnen, wie komplex man schreiben darf oder wie flach es sein muss, um in einem bestimmten Genre punkten zu können.

Der Hetero-Bereich hat mich dabei enttäuscht, und so habe ich just for fun „Chained – Das Bündnis“ in den Ring geworfen, einen schwulen Abenteuerroman. Die Reaktionen haben mich zutiefst erstaunt. Nicht nur, dass Chained ein paar Tage auf Platz 1 war, es gab auch Rezensionen.

Im Heterobereich bekommt man nur ganz selten welche – es sei denn, man sucht sich einen Blogger und bittet darum. Bei Chained hatte ich das nicht gemacht. Ich hatte Lust, das Buch zu schreiben, bin sozusagen meiner Natur gefolgt (denn der Hetero-Bereich liegt mir eigentlich gar nicht), habe es einfach eingestellt, dachte, da passiert nicht viel – und dann wurde das gekauft, gelesen und bewertet. Kritisch bewertet. Nicht diese Pseudo-Rezensionen, die man in anderen Kategorien oft bekommt, sondern fundiert, begründet. Queere Bücher werden wirklich GELESEN. Das ist aufregend, denn es ist der wahre Grund, warum man schreibt. Selbst, wenn es jemandem nicht gefällt.

Die nächsten beiden Bücher waren wieder Tests. Wie seicht oder wie komplex darf es sein? Klare Antwort: Queere Leser mögen es eher komplex. Es dürfen, sollen Liebe und Sex vorkommen, aber gern mit einer richtigen Geschichte dazu. Na dann – auf ins queere Abenteuer mit Hintergrund. Ich werde dem Genre definitiv erst einmal treu bleiben.

Text & Bilder © Irvin L. Kendall;
mit freundlicher Genehmigung.
Unbezahlte Werbung.