2. November 2024

Ingo S. Anders

Schon als Kleinkind lutschte ich am Wörterbuch, vor der Einschulung konnte ich lesen und langweilte mich, als die anderen langsam Schreiben lernten.
Bereits im Alter von neun Jahren wurde ich ohne mein Zutun veröffentlichter Schriftsteller, als meine Mutter einen Schulaufsatz über den Weihnachtsmann an unsere Tageszeitung schickte. Dies war die Konsequenz daraus, dass meine Lehrerin mich nicht hatte zu Ende vorlesen lassen mit der Unterstellung, ich hätte aus einem Buch abgeschrieben. Heute weiß ich dieses Kompliment sehr zu schätzen.

»Als Genre zeichnet sich ein Hang zu Dystopien ab, was aber nicht bedeutet, dass ich nicht auch lockere, seichte Trans Romance und natürlich SickLit schreibe, die in der Gegenwart und der realen Welt spielen.«
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Dann setzte sich mein Vater durch, der der Ansicht war, dass das Schreiben eine brotlose Kunst ist, womit ich ihm bislang recht geben muss. Ich lernte ihm zuliebe kochen – aber richtig, in einer Hotelküche. Theorie Zwei, Praxis Sechs. Beim zweiten Mal sah ich es ein, dass ich wohl doch im Büro besser aufgehoben war und machte eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten, Fachrichtung Bundesverwaltung. Nebenbei schrieb ich für die Azubizeitung Kolumnen und in meiner Freizeit erste Kurzgeschichten. Diese Ausbildung schloss ich gut ab, wurde übernommen und alles lief bestens, bis mich meine bipolare Erkrankung aus der Arbeit riss.

Während der Therapie, inzwischen erwerbsunfähig berentet, entschied ich, mich wieder dem Schreiben zu widmen und das mit ganzem Herzen.
Weihnachtsmann, Rentiere und Wichtel sind nicht länger die Protagonisten meiner Wahl. Meist sind es Figuren, hinter denen ich als Own Voice stehe: Schwule trans* Männer, Menschen mit Behinderungen bzw. psychischer oder anderer chronischer Erkrankung, hochsensible Personen.
Als Genre zeichnet sich ein Hang zu Dystopien ab, was aber nicht bedeutet, dass ich nicht auch lockere, seichte Trans Romance und natürlich SickLit schreibe, die in der Gegenwart und der realen Welt spielen. Da ich selbst am liebsten Thriller lese, wird das wohl früher oder später auch auf mein Schreiben abfärben. Einige Geschichten von mir eignen sich dazu, sich zu zerstreuen, andere rütteln wach und regen zum Nachdenken an.

Die ganz kurzen Geschichten, bei denen man beim Schreiben überhaupt nicht nachdenken muss, kleine Fingerübungen, machen mir am meisten Spaß. Da entsteht querbeet alles Mögliche, oft heitere Geschichten.

Sehr gerne nehme ich auch an Schreibwettbewerben teil und war schon mehrmals erfolgreich. Einmal habe ich sogar einen Pokal gewonnen!

Diese Ausschreibungen sind es auch, die mich immer wieder von der Arbeit an meinen Romanen abhalten, weil es mir leichter fällt, eine bestimmte Aufgabe bis zu einem bestimmten Termin zu erledigen, als völlige Narrenfreiheit zu genießen und mich selbst an die Kandare zu nehmen. Was mir sehr schwerfällt, ist das Schreiben mit zu vielen Vorgaben, etwa bei Geschichten, die historisch korrekt sein müssen.

Ich brauche zum Schreiben einen ruhigen Ort, Tee, Kaffee, Wasser und bequeme Klamotten. Oft habe ich auch eine Duftkerze an. Für mich funktioniert es am besten, wenn ich eine Ausgangssituation habe, von der aus ich mich von den Figuren durch die Geschichte führen lasse. Ich habe dann ein Ende vor Augen, aber durch den Verlauf der Geschichte ergibt sich meist ein ganz anderes.

Gibt es Vorgaben, wie etwa durch eine Ausschreibung, dann mache ich mir nach einem Brainstorming 7 Plotpunkte fest und tanze mit meinen Figuren Queer Tango, führe sie also in die geplante Handlung und dann wechseln wir und ich folge wieder. Nur bei umfangreichen Projekten (ab Novelle) mache ich mir einen detaillierteren Plan.

Schreibblockaden wie Duschblockaden kenne ich aus depressiven Episoden, die zu meiner bipolaren Störung gehören. Auch Blockaden, die sich ausschließlich aufs Schreiben beziehen, sind mir schon untergekommen. Da hat das Thema in meinem Unterbewusstsein noch gearbeitet. In solchen Fällen hilft es meistens, an einem anderen Projekt weiterzuarbeiten. Warten auf Inspiration ist nicht notwendig, es gibt Techniken wie Mindmappings, um auf verwertbare Ideen zu kommen.

Was mir noch mehr Spaß macht als Schreiben, ist das Präsentieren meiner Geschichten auf Lesungen, der Kontakt mit dem Publikum – auch wenn ich im Vorfeld jedes Mal vor Lampenfieber sterbe.
In meiner Freizeit singe und trommle ich und bin sehr froh, damit ein Hobby zu haben, mit dem ich kein Geld verdienen möchte, worin ich nicht gut sein muss und das einfach Spaß macht und meiner Seele guttut.

Text & Bilder © Ingo S. Anders;
mit freundlicher Genehmigung.
Unbezahlte Werbung.