Fig | Poppy Lamour

Leseprobe

›Fig‹
Poppy Lamour

Klappentext:

Feys Leben könnte kaum unbedeutender sein.

Ständig wird sie übersehen, und in dem Bretagne-Urlaub mit ihren Freunden ist sie das fünfte Rad am Wagen. Doch als sie am Strand auf einen Fremden trifft, ändert sich ihr Schicksal. Magisch angezogen von dem Fotografen und seinem Model betritt Fey eine sinnliche, erotische Welt, in der sie jegliche Hemmungen fallen lässt, um mit leidenschaftlicher Hingabe sich selbst neu zu entdecken.
#Polyamorie #Pansexualität

„Ein unglaublich sinnlicher und außergewöhnlicher Erotikroman mit liebenswerten Protagonisten und den aufregendsten Erotikszenen, die ich seit langem lesen durfte.“
– Katelyn Faith

© Poppy Lamour

Piriac-sur-Mer, Bretagne, 2019

Fey wollte immer nur dazugehören. Ihr Leben lang schon. Vielleicht wäre es einfacher gewesen, wenn ihre Eltern ihr nicht diesen seltsamen Namen gegeben hätten. Wie der schon klang: Fey.
Schlimmer noch mit Nachnamen: Fey Geppert. Seit ihr damaliger Mathelehrer ihren Namen an der Tafel mal mit FeyGe abgekürzt hatte, nannten sie alle nur noch Feige.
„Guckt mal, die Feige kommt auf den Kasten nicht rauf.“
„Sei nicht Feige.“
„Uh, wenn sie böse guckt, ist sie eine Kaktusfeige.“
„Niemand ist hier feige, außer Fey.“
So anstrengend ihre Schulzeit dadurch auch gewesen war, es wurde danach kaum besser, weil ihr Name selbst ohne die Verunglimpfung immer wieder auffiel. Während ihres Wirtschaftsstudiums wurde ihr mehrfach gesagt, dass Spitznamen im Berufsleben nicht angebracht seien. Wovon hätte Fey die Abkürzung sein sollen? Ihr Name wurde ständig thematisiert oder mit Vorurteilen beantwortet, die ihr das Image verliehen, kein ernstzunehmender Mensch zu sein. Egal, wohin sie sich ihrem Schicksal folgend bewegte, es war immer irgendwer da, der ihren alten Namen aus Schulzeiten wieder aufbrachte. Spätestens dank Facebook lernten auch die neuen Freunde die Geschichte kennen und führten das weiter, was Herr Müller-Obershausen angefangen hatte. Also hatte Fey aus der Not eine Tugend gemacht: Ihr Profilbild zeigte eine Feige und sie fing an, T-Shirts, Schüsseln und Sofakissen mit Aufdrucken dieser Frucht zu sammeln.
Wer eine Feige sah und Fey kannte, musste an sie denken. Bekannte schickten ihr Postkarten oder Fotos mit Feigen und kleinen Grüßen aus dem Urlaub, und sie bekam zwischendurch auch mal kleine Geschenke, die oftmals sehr anzüglich waren, da diese Frucht als erotisch galt und entsprechende Verwendung in erotischen Romanen oder Filmen fand.
So viel Beachtung ihr dadurch auch geschenkt wurde, sie war als Person trotzdem nie mehr als ein Witz oder eine Randerscheinung. Jemand, der am Abend fahren musste, wenn andere trinken wollten. Eine, die man mit ins Boot holte, wenn eine Person fehlte, oder die man mit in den Urlaub nahm, weil in ihren Dacia viel mehr Gepäck passte als in die schicken Statussymbole der Freunde.
Und genau dort befand sie sich jetzt: mitten in der Bretagne mit drei Pärchen, die den ganzen Tag am Strand lagen und Bier oder Sekt tranken. Es war so langweilig, dass Fey überlegte, ob sie es ebenfalls schaffen könnte, von morgens bis abends einen gewissen Pegel zu halten. Es kam ihr wenig sinnvoll vor, so viel Geld für einen Urlaub auszugeben, nur um dann im Delirium zu versinken. Die Bretagne war schön. Raue Küstennatur, frischer, salziger Wind und französischer Charme. Es gab weitaus mehr zu sehen als den Strand. Sie mochte den Anblick der Salzfelder, an denen sie auf dem Weg hierher vorbeigefahren war.
Wahrscheinlich bemerkten die anderen nicht mal die Anemonen im Wasser, die Schulpen oder Krebsscheren im Sand. Oder dass Feige mal wieder nicht bei ihnen war.
Sie hatte die Schuhe zurückgelassen und spazierte am Wasser entlang, ohne das Gefühl zu haben, in nächster Zeit umkehren zu müssen. Das braungemusterte Sommerkleid wurde vom Wind gegen ihre Beine gepresst, mit einer Hand musste sie den Strohhut festhalten, damit er nicht davon geweht wurde. Eine Stunde wanderte sie am Wasser entlang und betrachtete die Wolken, die sich mit dem auffrischenden Wind am Himmel zusammenbrauten.
„Attends, s’il te plaît!“, rief jemand von der Seite.
Irritiert sah sie sich um und entdeckte einen Fotografen, der eine Hand in ihre Richtung ausstreckte, als könnte er sie mit einer unsichtbaren Kraft an Ort und Stelle halten.
„Wie bitte?“, rief sie zurück. Er war nur ungefähr fünf Meter entfernt, aber der Wind trug den Schall davon.

„Ah, Sie sind Deutsche“, sagte er mit leichtem Akzent. „Bitte, bleiben Sie einen Moment so stehen. Das ist perfekt.“
Fey tat ihm den Gefallen. Sie wurde nicht oft fotografiert. Von ihr war auch noch nie ein Portrait gemalt worden. Als sie sich damals gegenseitig im Unterricht zeichnen sollten, hatte Malte nur eine formvollendete Feige zu Papier gebracht, die das Komikzentrum von Frau Luhmann getroffen hatte. Zwischen all den Portraits hing am Ende die Feige, und alle waren sich einig gewesen, dass Fey am besten getroffen wurde, ohne dass Malte sie auch nur einmal angesehen hatte.
Nun stand sie da – vor einem Fremden, der sie als Motiv gewählt hatte – ließ den Wind mit den langen, braunen Haaren und dem Kleid spielen, hielt den Hut fest und sah zum Horizont. Wie gerne sie dorthin gesegelt wäre, um herauszufinden, wie die Küste aus der Ferne aussah.
„Merci“, sagte der Fremde und kam auf sie zu. „Sie waren das, was diesem Bild noch fehlte.“
Fey wollte lachen, weil es in ihren Ohren wie ein blöder Scherz klang. Doch er zeigte ihr die Aufnahme auf dem kleinen Display. Das Bild war wundervoll. Der Mann hatte die unruhige See mit ihrer rauen Schönheit eingefangen. Die Wolken sahen aus, als würden sie sich bewegen, und das Licht der untergehenden Sonne spiegelte sich auf dem Wasser. Dank dieses Fotos würde sie für immer hier stehen. Auch wenn ihr Gesicht abgewandt war, erkannte sie sich wieder.
„Das ist wunderschön“, sagte sie und sah den Mann an. Er war so, wie man sich einen Franzosen vorstellte: Lebensfreude in den funkelnden Augen, tiefe Falten, die durch eine lebendige Mimik entstanden waren, ein Dreitagebart und wirre, etwas zu lange Haare. Vielleicht Ende dreißig. Sein weißes Hemd stand halb offen und gewährte einen kleinen Einblick auf seine behaarte Brust. So braun, wie er war, musste er viel Zeit in der Sonne verbringen, um Landschaften oder fremde Frauen zu fotografieren.
„Sie sind wunderschön“, sagte er geradeheraus, was Fey verlegen zur Seite schauen ließ. Männer nannten sie nicht schön oder fanden sie interessant. Sie war eher zuverlässig. Jemand, mit dem man Kinder bekam, und der sich dann um Haus und Heim kümmerte. Nur dass Fey nicht zur Hausfrau taugte, und sie wollte Kinder nur mit einem Mann, der auch gerne Vater wäre.
„Mein Name ist Yanis“, sagte er und streckte ihr eine Hand entgegen.
„Fey“, erwiderte sie höflich und schlug ein.
„Oh, das bedeutet Fee. Was für ein passender Name für Sie.“
„Meine Freunde nennen mich Feige“, sagte sie unbedacht, weil er sie verlegen machte.
„Wie die Frucht?“, hakte er skeptisch nach.
Fey nickte nur. Es ergab keinen Sinn, einem Fremden die ganze Geschichte zu erzählen.
„Nun, sollten wir jemals Freunde werden, bitte ich um Entschuldigung, wenn ich mir erlaube, Sie niemals so zu nennen.“
Das war wohl das Netteste, das ein Mann je zu ihr gesagt hatte.
„Es wird gleich regnen und ungemütlich werden. Sie sollten nicht mehr lange hier draußen bleiben.“
Fey sah sich zum Weg um, den sie gekommen war. Irgendwo weit dort hinten lag das Ferienhaus, wo ihre Freundinnen sich mit ihren Partnern vergnügten und sicher langsam Hunger bekamen, wodurch sie bemerken würden, dass sie nicht da war. Laut Plan war Fey mit dem Kochen dran. „Regen macht mir nichts“, sagte sie und schlang die Arme um sich.
„Geht es Ihnen gut?“
Nein, es ging ihr nicht gut. Sie war nur die dumme Nuss, die mitkommen durfte, weil sie einen Dacia Logan besaß, in den fünf Leute und ordentlich Gepäck reinpassten, die den anderen beim Knutschen zusehen musste und die von vorn bis hinten nicht in diese Gruppe passte. Sich zu dieser Reise überreden zu lassen, war ein Fehler gewesen, der sich nun noch eine Woche in die Länge ziehen würde. Es fiel ihr schwer, ein Lächeln zustande zu bringen oder etwas zu antworten.
„Bon“, sagte der Mann und grinste sie aufmunternd an. Etwas Warmes lag in seinem Blick, das irgendwie eine Verbindung schuf. „Das dort ist mein Haus.“ Er deutete auf eines der größeren Gebäude direkt an der Küste. „Ich muss jetzt arbeiten, aber sollten Sie Schutz vor dem Unwetter suchen oder etwas brauchen, kommen Sie einfach. Meine Tür steht Ihnen offen.“

[Fig | Datum der VÖ: 28. Juli 2021]

© Text: Poppy Lamour; Cover: Anke Koopmann, Designomicon
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung.
Unbezahlte Werbung.