27. Juli 2024

Cikâste | Silja Zachian

Leseprobe

›Cikâste‹
Silja Zachian

Klappentext:

Wir sind bloß Schatten

Wir sind ein Team, Brüder und doch so viel mehr.
Seit zwanzig Jahren holen wir Leute aus Kriegsgebieten. Soldaten, Journalisten und Privatpersonen, die gefoltert und gedemütigt wurden und deren Leben eigentlich bereits abgeschrieben waren.
Warum wir das tun? Weil SIE es wollen! Wir sind Seals und Eigentum des amerikanischen Militärs.
Ich erinnere mich noch an unseren ersten Einsatz im Sudan. Sie impften uns gegen Krankheiten, um nicht von Krankheiten heimgesucht zu werden, die uns dort erwarten könnten. Doch das war gelogen.
Diese Impfung nahm uns die Menschlichkeit. – Shadow … gab sie uns zurück.
Nun wird es Zeit, dass wir gehen. Egal, ob sie dies zulassen wollen oder nicht.

© Silja Zachian

Ende und Anfang

„Ach du Scheiße!“, stöhnt Bones auf, als Blood mit seiner Last aus den Schatten tritt.
Auf dem Seziertisch mitten im Raum liegt bereits eine dicke Schicht Eis und der Strahler von der Decke beleuchtet alles in einem harten hellen Licht. Das macht es leichter, aus dem Schatten zu treten.
„Du musst die Wunden lasern“, verlangt Blood und sieht seinem Freund in die Augen.
„Er blutet zu stark und ich weiß nicht, warum er nicht reagiert.“ Mit einer verzweifelten Handbewegung deutet er auf den Schatten, der immer noch rund um den bewusstlosen Körper herumstreicht. „Irgendetwas hat sie getrennt.“
„Gift“, vermutet Bones und greift sofort zu einem Stift, der über ein Kabel an ein Gerät angeschlossen ist.
„Wo ist Rick?“
„Hier!“, meldet sich der Vierte im Bunde.
„Du wolltest einen richtigen Krater?“ Dann erst sieht er die Verletzungen.
„Fuck!“ Sofort greift auch er zu einem Laserstift. Gemeinsam schließen die Männer mit Hilfe der Hitze die Wunden am Rücken, während Blood seinen Bruder festhält.
„Ja. Wollte ich. Was auch immer sie dort hergestellt haben, Shadow hat es gefunden“, antwortet er zähneknirschend.
„Sieht so aus“, stimmt Bones zu. Die beiden Männer arbeiten schnell und effizient. Nur wenige Augenblicke brauchen sie, um die langen tiefen Wunden am Rücken und an der Seite zu verschließen.
Vorsichtig, um nicht noch mehr Schaden anzurichten, legt Blood seinen Bruder auf die vereiste Liege. Er greift nach einem dritten Laserstift und hilft seinen Freunden.
Am Schritt stoppt er und zieht scharf die Luft ein.
„Ach du … Fuck!“, schreit er auf. Einer der Schnitte zieht sich von der Seite quer bis zum Oberschenkel und hat auch die Schwanzwurzel seines Bruders in Mitleidenschaft gezogen. „Wollten die ihn kastrieren? Oh Bruder …“ Seufzend schließt er die Wunde bis an ihr Ende und hebt seinen Blick dann ins Gesicht des Mannes, der vor ihm liegt.
Ganz bewusstlos scheint dieser nicht zu sein, denn sein Kopf bewegt sich und er zittert immer stärker, doch fehlt ihm die Kraft, sich tatsächlich gegen die Schmerzen zur Wehr zu setzen, die ihm seine Freunde zufügen.
„Verdammt. Das Gesicht kann ich so nicht richten“, flucht Bones und greift nach Klebestreifen, um den Schnitt direkt am Auge zu versorgen.
„Wenn er das Gift nicht neutralisiert, wird er sterben.“ Er sieht Blood dabei an.
„Das kann er nicht, ohne seinen Schatten“, bemerkt Hawk und deutet auf das dunkle verwaschene Etwas, das sich verzweifelt auf dem zerschnittenen Bauch zusammengerollt hat.
„Darum kümmere ich mich jetzt“, teilt Blood mit und legt das Werkzeug zur Seite. Er wedelt mit seinen Händen, damit seine Freunde zur Seite treten und steigt auf die Liege.
„Komm hoch“, verlangt er vom Schatten und löst seine menschliche Gestalt in dunkle Schlieren auf.

Zitternd, wie der Körper, der unter ihm liegt, richtet sich der dunkle Schemen direkt vor den Schlieren Bloods auf. Mit einem heiseren Fauchen, das eher dem eines Sturmes gleicht, wirft sich Blood mitsamt dem Schatten auf den zitternden, krampfenden Körper.
Ein unmenschlicher Schrei hallt im Raum wider und ein dumpfes Geräusch folgt kurz darauf, als Blood, wieder menschlich, von der Liege zu Boden fällt. Nur kurz löst sich sein Bruder in schwarze Schatten auf, ehe er wieder sichtbar wird. Endlich krampft und zittert er nicht mehr. Sein Atem geht keuchend und abgehackt, ist aber nun deutlich zu hören.
Kraftlos krallt sich Blood am Rand der Liege fest und zieht sich auf die Füße. Er ringt nach Atem und wankt stark. Diese Aktion hat ihn beinahe zu viel Kraft gekostet.
Shadow öffnet seine Augen und starrt Blood direkt ins bleiche Gesicht.
„Siehst scheiße aus, Bruder“, bemerkt er flüsternd.
„Immer noch besser als du“, antwortet dieser grinsend.
„Aber ich war ja immer schon der Hübschere von uns.“ Er hebt seine Hand und wischt etwas Blut von der Stirn seines Bruders. „Wie fühlst du dich?“
„Gehäutet und ausgekotzt“, antwortet Shadow leise und verzieht sein Gesicht vor Schmerz. „Omega“, fordert er angestrengt.
„Gute Idee. Wir sind so weit“, stimmt Bones zu und schiebt Blood zur Seite, um nochmals ans Gesicht zu kommen.
„Ich muss das nähen, aber du hast nicht still gehalten.“ Er sieht seinem Freund besorgt in die Augen. „Gibt keine Drogen, mein Freund.“
Shadow nickt lediglich und schließt seine Augen.
„Ach“, macht Blood und tastet sich an der Liege entlang, bevor er wankend zum Labortisch hinüber geht. „Ich habe noch eine Probe vom Gift mitgebracht. Mach uns nen´ Impfstoff draus.“ Er greift in eine seiner Beintaschen und fördert die Phiole zutage.
„Vierundzwanzig Stunden, Leute. Die wird Andy brauchen und wir auch. Vor allem, wenn du auch noch eine Impfung haben willst“, teilt Bones mit und setzt sich auf einen Hocker direkt an den Kopf seines Patienten.
„Ich nähe das hier und kümmere mich direkt ums Gift. Seht zu, dass ihr in die Gänge kommt.“
„Ja, Sir!“, rufen die beiden anderen Männer im Chor. Blood macht zwei Schritte auf die Tür zu und schwankt so dermaßen, dass Hawk ihn am Arm packt, damit er nicht umfällt.
„Das hätte dich das Leben kosten können, du Idiot“, zischt er dabei.
„Mhm. Besser ich als er“, bekommt er lediglich zur Antwort.
„Ich bring dich unter die Dusche. Du machst deinem Namen gerade alle Ehre“, bemerkt der fast zwei Meter große Soldat und lässt seinen Blick über die breite Gestalt vor sich gleiten. Tatsächlich ist dieser von oben bis unten vom Blut seines Bruders und seiner Opfer vollgesaut.
„Mhm“, gibt dieser erneut zur Antwort.
„Sein Blut triggert unangenehm.“ Das erste Mal seit zwanzig Jahren ist er bereit die Spuren sofort von seinem Körper zu waschen. Normalerweise genießt er den Geruch erst noch eine Weile. Doch das Blut seines Bruders macht die Schattenbestie in seinem Inneren nervös. Etwas, das sie sich im Moment nicht leisten können.

[Cikâste; Datum der VÖ: 05. Februar 2022]

© Text & Cover: Silja Zachian
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung.
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