29. August 2025

Irvin L. Kendall

Ich wollte schon immer „etwas mit Büchern“ machen. Mein erstes Buch habe ich mit vier „geschrieben“ – eine Bildergeschichte über Prinzessinnen und Drachen oder so, die meine Mutter in der gewünschten Reihenfolge zusammengeklebt und gebunden hat. Mein erstes richtiges Buch erschien 1990 in einem kleinen Verlag. Damals war ich gerade mal 17. Eine Geschichte über jugendliche Außenseiter. Denn das bin ich auch immer gewesen – nicht unbedingt jugendlich, aber zumindest ein Außenseiter. Durch meinen Autismus bin ich mit der Fähigkeit ausgestattet, auf einer einsamen Insel zu überleben.

Somit sage ich gern, dass ich auf einer „einsamen Insel“ in Niedersachsen lebe. Ich bin inter/trans-männlich (ohne Transition) – Pronomen „er“ –, arbeite als freier Hannibal (Lektor) und wache jeden Morgen mit einem Kater auf.

Es ist nicht leicht, „etwas mit Büchern“ zu machen, von dem man leben kann. Ich habe eine Ausbildung zum Buchhändler angefangen, aber den ganzen Tag Bücher in Regale zu räumen, fand ich extrem langweilig.
Also habe ich Betriebswirtschaft studiert. ^^

»Ich hoffe, das Genre findet zu den komplexeren Werken zurück, aber bleiben werde ich in jedem Fall.«
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Über diverse Jobs in verschiedenen Bereichen hat mich das in ein Integrationsprojekt an einer Schule geführt. Ich sollte das Projekt an sich nur organisieren und leiten, endete aber erst darin, selbst zu unterrichten, dann darin, Unterrichtsmaterialien zu erstellen. Letzteres brachte mich zu einem Schulbuchverlag. Das wiederum zu einer Stelle als Korrektor bei Axel Springer Mediahouse.

Zu der Zeit kam verstärkt Kindle in Deutschland auf. Somit hatte ich „etwas mit Büchern“ gefunden, von dem man leben kann. Seitdem arbeite ich als Hannibal – für SP-Autoren, aber auch für Verlage.

In all der Zeit habe ich immer nebenbei geschrieben, auch veröffentlicht, in Verlagen oder auf den ersten SP-Plattformen, die nach und nach aufkamen. Hauptsächlich im Krimi-Sektor, zumal das Gay Genre zu der Zeit praktisch nicht vorhanden war und auch nicht gelesen wurde.

Manche Bücher, die ich veröffentlicht habe, haben nur zu Testzwecken gedient, um zu sehen, welche Nischen sich lohnen, wie komplex man schreiben darf oder wie flach es sein muss, um in einem bestimmten Genre punkten zu können.

Der Hetero-Bereich hat mich dabei enttäuscht, und so habe ich irgendwann just for fun „Chained – Das Bündnis“ in den Ring geworfen, einen schwulen Abenteuerroman. Die Reaktionen haben mich zutiefst erstaunt. Nicht nur, dass Chained ein paar Tage auf Platz 1 war, es gab auch Rezensionen, die vorher nur mühsam zu bekommen waren.

Zu diesem Zeitpunkt erlebte queere Literatur einen Boom, der inzwischen wieder nachgelassen hat. Vor allem ernste, realitätsnahe Bücher haben es gerade schwer.
Mein Hauptwerk ist die „Jahre des Sturms“-Reihe mit 15 Bänden, zu der auch Nebenprojekte wie „Sturmfälle“ gehören.
Daneben gibt es eher dunkle Werke wie „Der Tod der jungen Männer“, aber Heiteres wie „Die Queen, ihr Dompteur und die Sache mit den Cops“.
Ich hoffe, das Genre findet zu den komplexeren Werken zurück, aber bleiben werde ich in jedem Fall.

Die nächsten beiden Bücher waren wieder Tests. Wie seicht oder wie komplex darf es sein? Klare Antwort: Queere Leser mögen es eher komplex. Es dürfen, sollen Liebe und Sex vorkommen, aber gern mit einer richtigen Geschichte dazu. Na dann – auf ins queere Abenteuer mit Hintergrund. Ich werde dem Genre definitiv erst einmal treu bleiben.

Text © Irvin L. Kendall;
Banner und Bild (ki-generiert); © Irvin L. Kendall;
mit freundlicher Genehmigung.
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Das Audio-Interview ist auf YouTube gehostet.
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